Streng geheim! Kapitel 48 – Tantalus

Wir hatten im Appartement das Schlafzimmer (das vom Rock’n Roll-Abflug) als Labor umgemodelt. Zwei Türen übers Bett gelegt, macht eine schöne große Fläche – für die Fahrzeugelektrik. Auf diesem „Tisch“ war ein kompletter Fahrzeugkabelbaum inclusive Hydroaggregat und Batterie aufgebaut. Die Lichtmachine simulierte ein Ladegerät. Es sollten die Spannungverhältnisse gemessen werden, die während einer ABS-Reglerfunktion, also Ventileschalten und Pumpenmotorlauf, so überall herrschen. Wir hatten festgestellt, dass im Fahrversuch das Fernlicht muckt und das Radio pupst. Die ganz sensiblen Harrys behaupten, dass die Zündung sich auch gemeldet hätte. Nun denn, messen im Labor, damit man überall rankommt. Den Kabelbaum hatten wir uns von Kollegen vom Stern ausgeliehen, die hatten immer ALLES dabei, den Rest machten wir mit Frequenzgeneratoren, Widerständen und.. und.. und. Die Platte war gut gefüllt mit allerlei Elektrik. Nicht greade übersichtlich, aber funktionabel.
Nun hatte das Ganze einen kleinen Haken. Auf dem gesamten Aufbau war ein 50-Hertz-Brumm drauf. Sowas gibt es im Fahrzeug nicht und es muss irgendwie aus dem Hausstromnetz da reinkommen. Jeder Draht ist ’ne Antenne. Brummen kann man mit Kondensatoren rausfiltern. Man muss nur wissen, wo und wie groß die Dinger zu sein hatten. Harry hatte einen zwischen spitzen Fingern, die Beinchen gespreitzt, damit er mit jedem an ein anderes Kabel kommen konnte und so beugte er sich, mit Blick auf den Oszillografen weit in das Gelände hinein und zielte auf zwei blanke Drahtanschlüsse – und peng – lauter Knall und Rauch und Geschmack nach Ampere in der Luft – Finger verbrannt – Hornhautschmorgelduft mischt sich bei, natürlich nicht kommentarlos.
Drei Mann aus dem „Wohnzimmer“ drängelten sich wissbegierig in der Schlafzimmertüre. Drinnen erfolgt die Erklärung: „Diesen … Elektrolytkondensator aus Tantal muss man polrichtig einbauen … plus auf plus und minus auf minus …“ er hatte das wohl im Eifer falschrum hingehalten, zeigte uns das an einem neuen Kondensator mit neuen Fingern – die der anderen Hand und versprach, das ganze jetzt richtig rum dranzuhalten – penggg – lauter Knall … das ganze Programm eben nochmal. Seitdem hieß dieser Harry Tantalus.

Morgens um vier

Wir waren mal wieder nächtens im Dorf bei Freunden und die Party löste sich schleppend, aber zusehends auf. Als der Letzte zum Aufbruch mahnte, stellte sich heraus, dass nur noch ein Fahrzeug für sechs Mann da war. Ja, Mann – keine Knochensäcke, richtig Material drumrum. Der Sportler, einer der „Un“Sportler – ein 928 hatten sie uns übriggelassen. Schaut im Weltnetz, wie das Teil aussieht. Vorne bequeme Sitze und hinten was für Ohnbeiner, Hund oder Kinder unter drei Jahren und ganz vorne ’n riesiger Pferdestall. Aber ’ne große Klappe hinten zum „Kofferraum“ beladen. Zum Beispiel ’nen Golfsack – diagonal gelegt, viel mehr Platz gab’s nicht wegen dem Futter für die Gäule unterm Velour. Und dann war die Platzverteilung wie folgt: Kutscher ist gesetzt, Beifahrer bekommt einen zweiten auf den Schoß, der hängt zwar etwas Richtung Fahrer, das macht drei, von den begleitenden Kommentaren sehen wir hier jetzt ab, hinten passt ein Yogageübter quer auf die Kindersitze und der Rest muss in den „Kofferraum“. Auch diese Kommentare sind gestrichen. Die Krux war, dass damit die Klappe hinten nicht mal mehr ansatzweise zuging. Aber morgens um vier ist die Welt noch im Bett und das merkt ja keiner. Damit es nicht zuu kalt wurde, hat Harry, der Kutscher die Soundanlage mit ‚Smoke on the water‘ geladen und volle Pulle aufgedreht. Für eine entspannte Athmosphäre und gegen die blöden Sprüche, auch hinten. Wer Arjeplog nicht kennt: Vom Dorf ins Hotel am Berg reicht die Liveversion grade mal so hin. Weil es hinten sonst zog wie Hechtsuppe, es waren ja ein paar kleine Minusgrade in der Luft, kutschte er eben nur im Standgas, auch den Hotelberg hoch und da meldete sich einer der hinteren Mitfahrer, er müsse jetzt mal müssen, Tankdruckanzeige ist rot, Bier muss raus. Aber überstimmt 5:1 ohne Anhalten, … und der Rest geht euch wieder mal nix an.

©Jürgen Zechmann