Streng geheim! Kapitel 42 – Von Messtechnik, Skihängen und gerollten Briefen

Messtechnik – die Zweite

Die Zeit bleibt ja nicht stehen und all unsere Freunde mussten ja auch messen. So haben wir irgendeiner gefundenen Firma den Job gegeben, uns aus unseren Regler- und Fahrzeugsignalen etwas Speicherbares ohne Papier zu machen. Das Ergebnis war eine Kiste von etwa 20 Kilo und so groß wie ein Bordcase vom Flieger. Vorne schaute uns ein kleiner Bildschirm an, der uns unsere Messungen „visualisierte“. Toller Fortschritt: von 2 Meter Papier zur Postkartengröße. Hallo Firma, wir würden gerne das im Fahrzeug anschauen. Jah, dann muss man das ausdrucken „??“ „HÄ??“ auf DIN A 4, stückchenweise und dann wieder kleben. Ingenieurstudium?
Ich will meinen alten Honeywell wieder.
Friedensangebot, Thermopapier gibt es in Meterware. Hat denen jemand gesagt, dass wir in der Kälte messen? Wenn schon einer eine Rechtfertigung eines Murkses mit: „Dann müssen die halt … “ beginnt, endet Verständnis und kreißt schlimme Gedanken in Worte. Der Bildschirm findet Einzug im Fahrzeug. Röhre. Aber Licht am Ende des Tunnels, eine innovative finnische Firma hinter den sieben Bergen hat einen kleinen handlichen Bildschirm entwickelt, der mit 24 Volt läuft, immerhin. Die 24 Volt Lichtmaschine haben wir ja und so schrumpft das Messgebilde schnell zusammen. Ausdruck zwar immer noch nur im Warmen, aber immerhin. Man kann die Aufzeichnung mit einer Rechnertastatur beschriften, auf dem Bildschirm hin- und herschieben, Neuzeit eben. Naja, geht doch. Jetzt hast du statt der Schraubenzieher und Papierkiste eben ’ne Schachtel Disketten dabei. Disketten? Frag das Internet, ist ’ne Speichermöglichkeit, wie heute DVD. Eine Messung passte grade mal auf eine Diskette, aber wir arbeiten noch dran. So lernt man schnell, schon im Fahrzeug, den Messschrott auszusondern und nur noch die Teile zu speichern, die wirklich wichtig waren. Dein ingeniöser Sachverstand wird aber gebraucht, wenn dir die Tastatur beim Bremsen oder in der Kurve vom Schoß rutscht, sich irgendwo irgendwelche Knöpfe drücken und du weißt nicht, was die Kiste treibt – erhebend. Grund für ne verbale Abreaktion. So hat sich doch ein Harry drangemacht und eine „Bauchsperre“ programmiert, die hat, wenn man mit dem Bauch oder jemand anders, mehrere Knöpfe auf der Tastatur länger gedrückt hat, das einfach ignoriert und mit einem PIEP sanft drauf hingewiesen. Erprobt für gut befunden, eingebaut.

Stimmt die Werbung von den Ringen?

Im Fernsehen kommt der Werbespot, wie ein Vierringler mit Vierradantrieb ’ne Skischanze hochfährt. 1986 – Können wir auch! Es gibt zwar keine Schanze, aber einen Skihang an bekanntem Berg und das entsprechende Fahrzeug auf dem Hof. Da am Hang nur übers Wochenende Betrieb ist, hätten wir unter der Woche freie Bahn. Es beginnen die Diskussionen, ob mit Seil oder mit ohne. Packt er es oder ist es ein Fake. Was passiert, wenn er es nicht packt – am Berg? Wie kommt man heil wieder runter? Wenn der sich querstellt. Über diese Fragen beim abendlichen Bier wurde uns der Mantel der Vernunft, sprich Verbot vom Scheffscheff über die Sache gelegt. Schade.

Briefe – gerollt, nicht gefaltet

Wir waren bis Mitte der Achtziger ein reiner Männerhaufen, fast alle gleich alt, bis auf ein paar Quotenalte und das Klima war entsprechend rau, aber herzlich. Derbe Sprüche waren nicht immer für musische Ohren angenehm, da entschloss sich unser Scheff, eine Inschinöse einzustellen, damit wir etwas zivilisierter werden sollten.
So kam eines schönen Morgens „Helga“ zu uns und ich hatte das Vergnügen, ihr das, was ich im Hirn hatte, rüberzuschieben, bis auf die Zoten. Wir arbeiteten fortan am gleichen Projekt und es war sehr erbaulich. Sie machte schnell Fortschritte, auch mit ihren Zoten. So hatten wir bald Gleichstand, zur Verwunderung unseres Scheffs, der bald merkte, dass der Schuss nach hinten los ging. Die Zoten waren ab sofort etwas feiner und tiefsinniger. Ob sie das nicht störe? „Bei drei älteren Brüdern? Nöö, ich find’s lustig -.“
Wir lösten uns im Winter ab, schrieben Tagebuch mit Erkenntnissen und offenen Fragen. So war einer über die Vorarbeit des anderen informiert. Man erinnere, das einzige Telefon stand im Labor und Dauergespräche waren nicht erwünscht, weil man damit die Hotelleitung blockierte. Da die Anzahl an Hotelzimmern auch übersichtlich war, teilten wir uns ein Zimmer – hintereinander. Und so bekam sie bei der ersten morgendlichen Sitzung auf Toilettenpapier Morgengrüße und Systemtipps frei Sitz geliefert. Es macht ganz schön Mühe, die Rolle wieder ordentlich aufzurollen, nach dem Beschriften. Wir mussten ja beachten, dass die Putzmäuse sehr ordentlich waren und eine schlampige Rolle ausgetauscht hätten – jahaaa, Vollausbildung.
Sie war eine Meisterin des Rock’n Roll – aber getanzt! Haben wir bei entsprechender Musik am Abend erklärt bekommen. Also vortreten, wer kann tanzen? Es traf mal wieder mich und wir legten im Labor eine flotte Sohle aufs Parket. Bis zu dem Punkt, wo sie mich wegschleuderte und nach einer Drehung wieder zu fassen bekommen sollte, was aber aufgrund einer minimalen Distanzdiskrepanz total schief ging. Ich donnerte rücklings durch die geschlossene Schlafzimmertüre des Appartements, rollte über das Bett und lag dann zwischen Bett und Wand völlig fertig auf dem Boden und durch den Schwung hat es die Türe auch gleich wieder zugeschlagen. Sie, mit dem gleichem Schwung, aber in die andere Richtung, räumte einen Tisch mit Messgerätschaften fast ab. Die Lautsprecher bläkten unter tosendem Kollegenbeifall munter weiter „Rock arround the clock“.

©Jürgen Zechmann