Streng geheim! Kapitel 40 – Von Staubsaugern und Busreisen

Ostern 1982 oder so. Wir wurden überzeugt, nach Ostern nochmal herzukommen und so war es vor Ostern nur ein teilweiser Rücktransport. Zwei Fahrzeuge können heim und so trifft es Harry, meinen Schrauber und mich. Ein eingespieltes Team. Da die Fähre und der Rückflug der Kollegen zeitlich nicht ganz zusammenpassen, bleiben wir noch einen Tag, packen in aller Gemütlichkeit, verstauen die Fahrzeuge in den wärmenden Garagen und warten, was passiert.
Wir sitzen im Foyer und schauen verträumt zum Berg hinüber, als wir unten im Hinterhof Bewegung feststellen. Es steigt jemand im Müllcontainer rum und sammelt – ja ist es denn die Possibility – unsere weggeworfenen Messschriebe ein. Nicht weit daneben parkt ein Fahrzeug der Konkurrenz – verrät die Nummerntafel. Haben die Säcke doch mitbekommen, dass wir abgereist sind – aber eben nicht alle. Wir geben uns zu erkennen und erfinden neue Wörter, die Tat lauthals zu kommentieren. Der ertappte Fledderer ist intern schockgefrostet und flüchtet sportlich. Das heißt aber auch, dass wir jetzt ran müssen, um den Messschriebabfall aus dem Müll zu fieseln und unwiederbringbar zu entsorgen. Abfackeln war die erste Idee, der Container war aber zu nah am Haus, also althergebrachte Lösung: mitnehmen. Nächster Morgen, nach dem Frühstück ist Aufbruch. Wir sind wirklich die letzten Gäste. Harold saugt nebenbei lustlos im Foyer den Boden, das riecht fast nach Übersprunghandlung und nicht nach Überzeugung. Wir verabschieden uns, holen die Fahrzeuge aus der Wärme und passieren langsam, zu einem Abschiedswinken bereit, die Eingangstüre – der kurze Blick ins Innere zeigt einen verlassenen Staubsauger vor der Rezeptionstheke und einen Harold, der grade die Türe von außen abschließt.
Als wir nach Ostern wieder auftauchen, steht der Staubsauger zwar in einer Ecke des Foyers, aber fast so wie er verlassen wurde, mit dem Kabel in der Wand.

Busheizung 0.1 . Die Jungs, die vor Ostern zurückgeflogen waren, hatten den Bus, den wir zu Erprobungszwecken dabei hatten, mit nach Luleå genommen, dort auf dem Langzeitparkplatz abgestellt. Ein O 603 oder so. Lotteralt, aber zum Probieren reicht’s. Wie ebenso bei älteren Herrschaften, sind nicht mehr alle Funktionen vorhanden, wie zum Beispiel die Heizung.

Wir kommen nach Ostern in Luleå mit dem Flieger gegen Abend an und haben die größte Mühe, den Diesel am Laufen zu halten. Na eben die Geschichte mit „erst eins, dann zwei … . Scheiben außen und innen frei kratzen. Die kleine Mannschaft zwängt sich in die ersten Reihen, um wenigstens etwas Restwärme zu ergattern, die sich über die Scheibenlüftung ins Innere verirrt. Dem bisschen Restwärme ist es sogar zu kalt. Überall Raureif, nichts kannst Du anfassen, Du klebst sofort fest. Es liegen ja immerhin gut drei Stunden Fahrt vor uns. Kollege lässt sich erweichen und opfert die große Flasche Cognac aus dem Tuttifrutti in Stuttgart, die dann langsam die Runden dreht. Der Fahrer bleibt außen vor, wir wollen ja noch heil ankommen. Die Kälte nimmt zu, draußen sind richtig Miese. Die Heizung ist schon längst an ihre Grenzen gestoßen, gibt aber nicht auf. Im unteren Drittel der Frontscheibe ist es mollig warm und so setzt sich Harry mit dem Rücken zur Scheibe auf das Armaturenbrett und lässt sich die Wärme unter den Anorak blasen, der Rest der Mannschaft schart sich in die Nähe der Wärme.

Es kommen die berüchtigten Bodenwellen bei Älvsbyn. Langgezogene Verwerfungen der Straße, die zwar mit dem PKW mit Schwung zu fahren sind, aber mit dem Bus?? Unser Fahrer vermeldet ab und an „Servolenkung“, wir haben das Gefühl, wir schweben – manchmal – bis auf eine harte Landung – die bisher in der Schwebe gehaltene Flasche knallt aufs Armaturenbrett, das Glas ist klüger und der Boden platzt ab. Mit ihm der Rest des Inhalts, aber eben nicht so wenig, verschwindet im Lüftungsschlitz der Heizung. Es folgt eine Bedampfung des Inneren, wir atmen Cognac.
Es geht dadurch nicht schneller, aber der Crash war der Zünder zu einer Mischung aus Erheiterung und Bedauern. Nachdem es nicht mehr opportun war, in der Nähe der Scheibe – der Luftauslässe – zu atmen, zogen wir uns wenigstens etwas, also bis in die erste Stuhlreihe zurück, was aber wieder mit frieren verbunden war. Harry hat die blendende Idee. Er kramt unter den Sitzen Schneeketten hervor, ringelt sie neben dem Schalthebel zu einem kleinen Vulkan und findet in den Gepäckfächern jede Menge dieses sündhaft teuren Schreiberpapiers, knüllt eine Lage zusammen und – wir sind ja noch alle Raucher – zündet ein Lagerfeuer an. Es gibt sofort wärmende Behaglichkeit – bis auf den Qualm. Dem Inschinör ist nichts zu schwör. Der Bus hat ja Lüftungsklappen im Dach. So zieht der Qualm, all seine Wärme abgebend gemütlich durch den Bus, um hinten durchs Dach nach draußen zu gelangen. Der Bus war noch nie so leergeräumt von brennbarem Papiermüll. Und der Rest geht euch nix an.

©Jürgen Zechmann