Streng geheim! Kapitel 38 – Die Sch…karre heizt nicht

Harry, unser Dokumentationsspezialist, ist zum Messen verdonnert. Denn Autofahren ist nicht sooo sein Ding. Es ist dunkel draußen und sch … kalt. Der dicke Stern steht mit laufendem Motor vorm Appartement, drinnen ist die 5-Watt-Beleuchtung an und Harry fummelt an einem Gerät rum, das er sich hinter dem Schalthebel zwischen die Vordersitze geklemmt hat. Ein Tonbandgerät. Nachdem unsere – na also dem ABS seine – Drehzahlfühler nen Sinus, also ne Schwingung produzieren, kann man das als Ton bezeichnen und deshalb mit einem Tonband aufnehmen. Der tiefe Sinn dahinter war, dass man die Sensorsignale während einer ABS-Bremsung mit aufgezeichnet hat, um sie dann im Labor der Elektronik vorzuspielen, um uns Kutschern manche Fahrt zu ersparen. Also bekam Harry den Auftrag, das Ding in Betrieb zu nehmen. Kabel bauen, Gerät abstimmen, den gesamten Mist eben drumrum, damit das Ergebnis sichtbar wird.
Nach einer Weile kommt er ins Büro, schlägt sich mit den Armen selbst umfassend warm, Fellmütze tief in die Stirn gezogen , n knallroter, tropfender Riecher und schimpft auf die Heizleistung des Sterns vor der Türe. ‚Sch…sskarre, kostet ’n Heidengeld und kann die Kälte hier nicht ab.‘ Ich kannte das Problem und griff helfend ein, indem ich ihm einen Pappdeckel vor den Kühler stecken wollte, um die Kühlleistung zu reduzieren. Wenn weniger in die Luft geht, kommt mehr im Innenraum an. Als ich mit ihm rausgehe und das Fahrzeug sehe, fällt mir auf, dass alle vier Seitenscheiben offen waren. „??? Harry, wattn das ??“ „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen …. “
Da er das Tonband so schön passend zwischen die Sitze auf die Konsole geklemmt hatte, hatte er mit den darunterliegenden Fensterheberschaltern alle Fenster geöffnet. …….

Einer nebenbei: Harry war starker Raucher – 5-Eckstein oder Zuban – lehnte Salat in jeder Form grundsätzlich als Karnickelfutter ab und brachte uns, wie schon mal erwähnt, Ordnung bei und Autofahren war für ihn notwendiges Übel, wobei er Automatikfahrzeuge generell als „Weiberkarre“ abtat. Echte Kerle kuppeln und schalten.
So musste ein Scheffscheff oder noch mehr Scheff eines Kunden, den wir von unseren Systemen überzeugen mussten, zurück zum Flugplatz nach Luleå gefahren werden. Da nur ein weiss-blauer mit viel PS und eben Automatikgetriebe übrig war, musste er notgedrungen diese „Karre“ nehmen.
Wenn wir ein Fahrzeug grade mal nicht im Messeinsatz hatten, der Messaufbau üblicherweise anstatt des Beifahrersitzes eingebaut war, fehlte hier der Messaufbau und somit der Beifahrersitz. Somit saß der Herr Kunde hinten Loge mit Beinfreiheit bis zum Armaturenbrett. Harry fuhr unspektakulär, bis auf das kommende Überholmanöver. LKW voraus und freie Sicht, ein stückweit wenigstens. Harry schert aus und gibt Gas. Der Automat schaltet einen Gang zurück und der Motor zeigt Leistung, womit Harry in der Situation nicht mit der Vehemenz gerechnet hatte. Zudem kommt einer unangemeldet am Horizont entgegen. Der Schreck lässt den Gasfuß vom Pedal zucken und das Fahrzeug beginnt spontan und unverhofft mit Eigenleben. Physik eben. Rutschende Räder heißt keine Seitenführung und das heißt Panoramablick. Der Weißblaue dreht sich und donnert rückwärts in die auf der Gegenseite grade zufällig dort wartende leere Parkbucht. Das Fahrzeug vom Horizont passiert und der Truck verschwindet stattdessen am Horizont. – Fliegender Wechsel. Harry steigt erst mal aus und zündet sich mit zitternden Fingern eine an und entsaftet, was grade fast hätte nicht mehr notwendig sein müssen. Der Fahrgast ist begeistert. „Ihr Jungs vom Fahrversuch habt es eben drauf.“

©Jürgen Zechmann