Streng geheim! Kapitel 36 – Reise um die Welt

Es war mal wieder soweit, die Abreise einiger Kollegen stand bevor und es mussten Reste verwertet werden. Also gab es Käsespätzle mit anschließender Weinprobe: Reise um die Welt. Ein paar Tage vorher haben wir den Katalog (50 Seiten!) vom Systembolaget studiert und nach expertösen Diskussionen unter Beachtung der Haushaltslage uns für sechs oder acht Flaschen Vergorenen, so einmal um die Welt entschieden. Die Gäste drängten in die Küche, um die Chance nicht zu verpassen, Original Schwäbische Kässpätzle zuzubereiten oder wenigstens zuzuschauen oder dazuzusenfen.
Das Ganze dann für sechs oder acht Mann, vielleicht war’s auch einer oder drei mehr, keine Ahnung. Zum Hauptgang gab es das berüchtigte Bier und zum Nachtisch, also nach dem Abspülen, wurden die Flaschen aufgereiht und ein Kollege zelebrierte eine Weinverkostung. Irgendwie musste das gut gewesen sein, sonst hätte ich mir’s nicht gemerkt. Nachdem alle Weine durch waren, wurden an den Flaschen die Etiketten abgedeckt und es begann die Blindverkostung. Wer die meisten erraten konnte, war Sieger, Ehre per Acclamation mit Schulterschlag. Ein Schlauer hatte fast alle erraten, weil man von hinten durch die Flaschen das abgedeckte Etikett lesen konnte, oder der bedruckte Korken oben steckte. Engineeerisch wieder mal.
Beim Holznachschub fürs Kamin holen, aus dem draußen neben der Garage befindlichen Verschlag, ergab sich eine kuriose Begegnung. Da stand ein ausgestopftes Ren im Stall und wenn man es richtig positionierte, schaute es einen beim Toröffnen sogar an. So musste jeder mal diese Erfahrung machen. Aber – das war ja zu einfach … .

Gegen Tagesanfang ist dann den Abreisenden eingefallen, dass die leeren Behältnisse wie Flaschen und Dosen nicht entsorgt waren. Nie ! musste ein Hausbesitzer unseren Dreck wegräumen, aber diesmal wurd’s eng. Stehkonvent im kleinsten Kreise, KonstruktiverScheiss, Seite fünf, Idee und Beschluss: Ein Kollege hatte sein Erprobungsfahrzeug startklar vor die Haustüre gestellt. Startklar hieß, rückwärts, damit man beim Wegfahren nicht rangieren oder gar die Heckscheibe sauberkratzen musste. Steilvorlage. Den Schlüssel fanden wir in seinem Anorak in der Garderobe und dann ging’s recht schnell. Der Kofferraum war somit nahezu randvoll gefüllt. Es war ja noch die 220 Volt Spannungversorgung drin.
Damit die Kofferrauminhaltkontrolle für uns positiv ausging, haben wir schnell noch die Deckelkanten mit Warmwasser übergossen und hofften, dass die Natur hier wenigstens mal mit uns ist.
Aufbruch, die Gäste gehen, Kollege stellt fest, dass der Schlüssel noch an seinem Platz ist – er kennt uns ja – und eben darum, will er den Kofferraum öffnen um nachzuschauen, aber – zugefroren. „Ich dachte schon, ihr habt mir das ganze Leergut eingefüllt.“ „Nööö, das wird morgen im Vorbeigehen entsorgt ….“ von wegen ‚kennt uns‘. Zu kurz gedacht.

Kleiner Zeitsprung zu Montagnachmittag, Parkplatz vorm Silverhatten. Scheff ³ … , (höchster Scheff unseres Bereiches) ist angekommen und fährt die einzelnen Fahrzeuge Probe. Den vom Donnerstag bringt er zurück und bittet den Scheff ² – was im Kofferraum rumkullert – rauszunehmen, er hätte es getan, aber der Deckel ist nicht aufzukriegen. Scheff ² muss glänzen und öffnet den Kofferraum mit etwas muskulärem Aufwand. Die Dosen und Flaschen haben sich mittlerweile schön geordnet, die schweren nach unten und die leichten nach oben und irgendwie hätte es ordentlich ausgesehen. Die mit Sicherheit stattgefundene Konversation ist nicht überliefert, aber dass der Tages-Hauptschuldige, der zufällig mit einer Tasse Kaffee vorbeischlurfte den spontanen Auftrag der artgerechten Entsorgung bekam, erfuhren wir.

Ren II

Man trifft sich ja immer zweimal. Die Jungs, die hierblieben, hatten da schon weitergedacht. Mit einem Kastenwagen vom Stern wurde das Tier ins nächste Haus transportiert und dort im Bad aufgestellt. Auch Badezimmertüren gehen nach draußen auf, das ist wegen des Miefs, der sich drinnen bilden könnte, damit man die Türe trotz Muff von innen aufbekommt. Der Bewohner war generell etwas schläfrig unterwegs und er musste dran glauben. Nächsten Morgen – die Kollegen Mitbewohner saßen schon gegen jede Gewohnheit am Kaffeetisch und beobachteten den Vorgang. Erste Reihe, Loge und live: Harry schlurchte ins Bad, schob das Ren zur Seite und verschwand im Bad, nach einer ziemlich kurzen Weile gab es drinnen einen Schrei und er flüchtete textilfrei aus dem Bad und stand kalkweiß im Gesicht am Küchentisch: „Da steht ein Rentier im Bad!!“ „Männchen oder Weibchen??“ “ Jaaah und wie heißt es?“

Nebenbei, das Ren war ja aus einem anderen Haus und verblieb natürlich in diesem fremden Haus. Uns hätte interessiert, wie es wieder heimgekommen ist. Ebenso ging oft es Stühlen, Geschirr und Besteck. Da fehlte plötzlich in einem Haus das gesamte Werkzeug, weil es woanders zu einer Party gebraucht wurde. Die Vermieter wussten ja nicht, wer wo wohnte und wo zu Gast war und wo die wundersame Vermehrung herkam oder das Material hinwanderte. Was lernen sie daraus? Schaff genügend Material ran. Es gibt kein Dorf in der Welt, wo nahezu alle Haushalte mit mindesens vierundzwanzig Messer-Löffel-Gabeln-Teller-Gläsern-Stühlen ausgestattet sind.

©Jürgen Zechmann