Jetzt kommt ne richtige Legende:
Es begab sich zu einer neuen Zeit, zu der ein großes Fest gefeiert werden musste. Lassen wir es mal so stehen.
Eine Abordnung reiste im Herbst nach Arjeplog und hatte mehrere Büchsen Sauerkraut, Blut- und Leberwürste dabei, um sich an den Schweden kulinarisch zu rächen, die uns im Sommer mit Surströmming beglückt hatten. Surströmming ist ein fermentierter Fisch, der gleich nach dem Fang ohne viel Auflesens mit Salzlake in die Dose gedrückt und verschlossen wird. Nach geraumer Zeit wölben sich Boden und Deckel und es kann angerichtet werden. Nur im Freien, mit dem Rücken zum Wind und Dosenöffnung unter Wasser oder in eine Wochenendzeitung eingewickelt. Die Fische werden mit dem Messerrücken filetiert, mit Dip aus Zwiebel, Kartoffel und sonstigen Soßen ohne viel zu Kauen verschlungen. Danach sofort einen Aquavit hinterher, Antiperistaltik „Off“ . Was drin ist bleibt drin. Unterm Strich kann man sich dran gewöhnen – einmal im Jahr oder wie wir, einmal im Leben.
Nach dieser Erfahrung haben wir gehirnt, wie wir uns revanchieren (schickeses Wort für Rache) können und sind auf Blut- und Leberwurst gekommen. Natürlich mit Sauerkraut, Kartoffelpüree und zum Genießen ein schwäbischer Riesling. Passt nicht? Habt ihr ne Ahnung, passt doch. Und Selbstgesammeltemundgebranntem Zwetsch gegen Schluckauf.
Als wir ankamen, wurde noch am selben Montag Abend in der Werkstattküche das Sauerkraut mit geheimen Zutaten in einem riesen Kübel angesetzt und köchelte so bis Donnerstag unter loser Aufsicht vor sich hin. Aufgewärmt und leicht angeschmorgelt schmeckt es am besten. Haben wir simuliert, indem wir nächtens den Herd abgestellt haben. Kurzum, die meisten haben es gegessen und als Nachtisch der Destillierte. Hierbei entspann sich eine Diskussion, was es zum großen Fest geben sollte, vor dem Destillat. Hauptsache war zunächst, es musste ein richtig guter schwäbischer Wein dazu gereicht werden, was jedoch der Systembolaget so nicht im Lager hatte. Umgerechnet bräuchten wir – wennschondennschon und für die Zukunft – mindestens 500 Flaschen davon. Ich kenn da einen, der kann uns das liefern. Längeres Procedere setzt ein. Scheffscheff aus Schweden versuchte darauf hin legal die Flaschen einzuführen, was in keiner Weise ging, nicht mal wenn er sich eine Lizenz als Systembolagist besorgt hätte. Probiert: Geht nicht. Das ist in diesem Land alles geregelt. Einfuhren dieser Art müssen von einem staatlichen Gremium begutachtet und befunden werden. Aber man ist ja nicht ganz blöd. Beim Zoll gab’s die Auskunft, dass 300 Liter pro Person eingeführt werden dürfen. Was mit Bier geht, geht mit Wein auch. Dann gibt’s eben einen Bus und Mitfahrer finden wir schon. Aber wie transportieren bei Minus draußen? Kein Problem: Der beSternte Kasten auf Rädern, hat drei Sitze vorn, das sind 900 Liter, kann zwei Tonnen, das wären knapp 1300 Flaschen, da bleibt hinten noch Platz für einen Ofen und Feuerholz – und der Rauch ? – Hinten wird eine Scheibe rausgenommen und Blech mit Rohr eingesetzt. Scheffscheffscheff hat’s rausbekommen, weil einer blöde Fragen hatte wegen Trocken oder Halbtrocken, da gab’s dann Schimpfe.
Hinundherpäckchen
In den 80ern durfte in Schweden nur Alkohol mit Speisen angeboten werden. In Restaurants ebenso wie in Bars.
Demnach musste zu jedem Bier ein Sandwich geliefert werden. So hatten wir in Lulea inner Disco in der Tischmitte eine Stange Sandwiches gestapelt, (wie an allen anderen Tischen auch) die alle einzeln in Plastikfolie eingeschweißt waren. Bis einer von den Jungs Hunger verspürte und ein so ein Ding öffnete und dran runterbiss. Die zufällig vorbeikommende Bedienmamsell nahm ihm das zutiefst erschrocken weg und sagte ihm aufgeregt in schwenglisch, dass die Dinger nicht zum Essen sind, sondern nur fürs Gesetz. Nach dem Bezahlen nahm sie die Stange wieder mit und so war das dann mit den Hinundherpäckchen.
Der Tagshauptschuldige wurde erfunden, damit diejenigen, die Frust hatten, alles bei ihm abladen konnten und sich befreit fühlten und er selbst konnte das alles getrost vergessen, weil es ihn nichts anging. So hatten beide Seiten und die Allgemeinheit was davon. So kam es schon mal zu kleinen Verwirrungen als sich ein Scheffscheff bitter beklagen wollte, weil sein Auto nicht rechzeitig fertig wurde und er deshalb irgendwelchen Stress verteilte. Er raunzte mit die Situation treffenden Worten lautstark den zuständigen Monteur an, als er sich im Büro blicken ließ, der aber stoppte mit einer einladenden Geste den Erguss mit den Worten: „Heute ist der da drüben der Hauptschuldige, ich war’s erst gestern.“ Grinste, verschwand und ließ den verdutzten Scheffscheff stehen. Funktionierte aber.
Kaltstart mit Hindernissen
Harry hatte sich in den letzten Tagen keine Freunde gemacht und ihm musste mal der Zeiger gestellt werden. Kommt Zeit, kommt Rat. Die Werkstatt hatte sich bitter beklagt, dass er seinen Frust immer verbal ablud.
So wurde er nach der Frage, wo’s Nachts am kältesten sei, auf den See geschickt, um dort über Nacht sein Fahrzeug zu platzieren und morgens dann einige Kaltstarts durchzuführen. Die Vorbereitungen waren getroffen, das Auto verbrachte mutterseelenallein die Nacht auf dem See. Wenn das keine Steilvorlage war. Am nächsten Morgen, schon während des Frühstücks und auch anschließend nervte er am Funk, dass sein Auto auf dem See festgefroren sei und forderte „sofort“ Hilfe an. Als die Hilfe dann ankam, bot sich ihr ein lustiges Bild: Das Motorenaufheulen, das einem nervös pumpenden Gasfuß entsprang, begleitete ein rhythmisches Abtauchen des Fahrzeughecks, aber das ganze bewegte sich keine fünf Zentimeter …. weil nämlich nächtens der Konstruktive Scheiss ein Abschleppseil über die Hängerkupplung gelegt hatte, das in einem mit Wasser gefüllten Eisloch darunter arretiert war. So hatte das Wasser die ganze Nacht Zeit, das seine dazu beizutragen und das Seil fest zu halten.
Der listige Helfer entfernte deshalb nur die abnehmbare Hängerkupplung, befreite das Fahrzeug vom Seil, kommentierte die Sache in passenden Worten und verschwand.
©Jürgen Zechmann