Streng geheim! Kapitel 29 – Wo ist Harry?

Wo ist Harry?

Ein junger Kollege hat bei uns angefangen, bald darauf hat ihm die Natur einen gewaltigen Streich gespielt. Ihm fielen binnen sechs Wochen alle Kopfhaare aus. Somit hatten wir unseren eigenen Kojak (US-Serie der 70er, der mit dem Lolly und auch mit Rasierer gekämmt.)
So hatte ich wieder mal das Vergnügen, so zwischendurch einige Jungspunde mit dem Flieger nach Lappland zu lotsen. Alle neu, kennen die Prozedere beim Umsteigen in Kopenhagen und Arlanda (Stockholm) nicht. Also, der Gesichtsälteste voraus. Alles geht gut, bis wir in Arlanda durch den Zoll müssen, die Schweden haben dato noch Pässe kontrolliert und abgestempelt. So mancher Pass war hinten knallvoll mit Ein- und Ausreisestempeln aus Schweden. Nach der Kontrolle schau ich, ob alle durch sind – einer fehlt. Sch .. sse. Wer fehlt? Hühnerstall! Kojak fehlt! Großer Aufruhr für drei Sekunden, da meldet sich neben mir jemand, dass er doch hier sei. Ich schau zweimal, da nimmt er seinen Wilhelm ab und ist wieder unser Kojak. – „Mann kannst Du einen erschrecken, warum das denn?“ – „Ich hab noch n Passbild mit Mähne. Meinst Du, ich mach jedes Mal das Theater mit, denen zu erklären, dass das mein Pass ist?“ Sprach’s, stopfte den Skalp in die Anoraktasche und grinste mich an.

Neulich am Zoll in Stuttgart

Wie ja schon vorher mal angedeutet, gibt es zu dem Fasstransport ein Upgrade. Wir haben uns zur Mitnahme von Gebrautem auf Partyfässer umgestellt. Dazu waren entsprechende Handgepäckstücke nötig, die mindestens ein Fass plus persönlichen Kruscht fassen mussten. Jaaah, damals konnte man noch Flüssigkeiten, die nicht frieren durften oder die im Koffer bei härterer Behandlung undicht wurden, im Handgepäck mitnehmen. So zog die Karawane in Stuttgart im Gänsemarsch durch die Kontrolle. War eigentlich wie heute mit Piepser und Fummeln.
Der morgentypisch freundliche Kontrolleur nimmt mir die Tasche von Band, stützt sich drauf und sagt barsch: „Heute ist nur Hopfenbräu frei, Dinkelfelder war gestern. So geht das nicht. Aufmachen.“ Ich bin platt und fange an, mich stotternd zu erklären, als ich einen Kollegen bemerke, der schon durch war und breit grinste. Hatte der Sack mich verpfiffen und der Kontrolleur hat mitgespielt.
Übrigens, die Pyramide aus leeren Partyfässern in der Rezeption wächst schneller in die Höhe.

Unser Turbo ist aber schneller …

Muss so knapp um 80 gewesen sein. Die Vierringler hatten was ganz Giftiges dabei. Sah aus wie alle, aber dicke Socken an und hinten ein Rohr wie von nem Truck und der Motorraum voll wie ne Schwäbische Garage.
Die Weiss-Blauen hielten dagegen, aber mit aufgesetzten Radkästen, das Ganze mindestens zwei Handbreit breiter. Die ausgebeulte Motorhaube verriet zu wenig Platz drunter.
Abends sitzen alle gemütlich zusammen, bis sich ein Weiss-Blauer mit einem Ringler verbal anlegt, dass seiner schneller sei und mit seinem neuen sechs Zylinder mehr Pferde hätte … Der Ringler, der sich natürlich nicht geschlagen gibt, hält mit fünf Zylindern und Turbo dagegen. Soviel zur Geheimhaltung, PS-Neid. (Nein, nicht was ihr denkt: Pferdestärken!)
Showdown auf dem Hornavan zu nächtlicher Stunde. Das Ergebnis ist verheerend – für beide, weil Schnee halt keine Traktion bietet und die Straßen vereist sind. Verbrüderung, die Ringe werden Weiss-Blau, wenigstens für eine Nacht und unter Freunden.

Ambulante Hausbar

Destilliertes nach Schweden zu bringen war auf einen Liter pro Person begrenzt. Das war auch gut, weil die Zöllner am Flugplatz ja nicht doof waren.
Aaber, es gab ja noch andere Kunden, die ihre Fahrzeuge per Achse herbrachten. Und die Zöllner an der Fähre hatten das nicht so eng. Man konnte ihnen ja immer mit einem dicken Carnet winken und das war richtig Arbeit und Ablenkung. So hatten sich schlaue Ingenieure aus dem Norden der Republik ans Werk gemacht, die Scheibenwaschanlage etwas zu modifizieren. Es war ja seinerzeit hochmodern, die Waschanlage mit Druck aus dem Reserverad zu speisen, damit der faule Fahrer nicht wie im Stern mit dem Fuß pumpen musste. Wenn man nun die Schläuche von den Waschdüsen ins Handschuhfach verlegt und das Ganze mit Destillat auffüllt, kann bequem das Handschuhfach zur Bar mutieren. Rechts Lebenswasser, links Zwetschgenwasser – gekühlt! Schmeckte zwar etwas nach Talkum, aber die Idee war es wert. Der Upgrade war, hinter den Messverstärkern im Messaufbau eigens konfektionierte Glasflaschen zu positionieren. Der Verstärker war zwar funktionslos, aber die Knöpfchen und Rädchen haben noch was vorgemacht und die Lämpchen haben geleuchtet. Nur die im Zwischenboden eines Hängers eingebauten Brillantinesflaschen haben sie gefunden. Das gab mächtig Ärger und einen allgemeinen Appell, keinen Wettbewerb draus zu machen.
Da gab’s dann noch die Heimschlachter, die Wurst in Büchsen packten. Was mit Wurst geht, geht mit Vergorenem auch – Unterschied jedoch, die Dosen musste knallvoll sein, damit sie nicht gluckert … engineering eben und muss ja nicht immer drinsein, was draufsteht.

2700 km ohne Schaden

bmwimschnee… aber die letzte Hotelkurve vorm Silverhatten hatte es doch dann in sich. Lupenreiner Abflug eines Prototypen. Wutentbrannt steigt der bayrische Fahrer aus und schlägt die Fahrertüre genervt zu … und mit ihr die Seitenscheibe ins Innere. Wer ist schon mal mit einem Brett als Seitenscheibe gefahren? Ist ein Sch .. ss gefühl. Schlimmer als Panzerfahren. Aber die Bremse musste ja erprobt werden und für einen Prototypen Ersatz zu bekommen, ist wie Angeln am Pool: Tausend gute Ratschläge.

©Jürgen Zechmann