Streng geheim! Kapitel 25 – Täglich grüßt der Druckaufnehmer

Diese Dinger waren ein Kapitel für sich. Da wir wissen wollten, wie sich die hydraulischen Drücke im Hauptbremszylinder (wer nicht weiß, was das ist, soll das Internet befragen) und in den Bremszangen hinter den Rädern treiben, waren am Hauptbremszylinder zwei und an den Radbremszangen je einer angebaut. Da sie besonders an den Zangen übelsten Umwelteinflüssen und schüttelnden Kräften ausgesetzt waren, mussten sie klein, leicht und präzise sein und mehr als 100 Grad aushalten. Nun gab es in der Schweiz eine Firma, die diese Dinger baute und so hatten wir ein kleines Vermögen angelegt, für jedes Fahrzeug sechs und als Ersatz ein dünnes Polster dazu. Daran war dann ein kleines grünes Kabel mit einem noch kleineren Stecker angebracht, der zu der etwas robusteren Leitung führte, die dann durchs Fahrzeug geschlängelt, durch vorhandene oder neue Löcher mit dem Messaufbau im Fahrzeuginneren verbunden war.
Ein Fahrzeug mit Druckaufnehmern auszurüsten war schon mal ein Tagwerk. Schlangenwege finden, Löcher bohren ohne Flurschaden anzurichten … jaaah, gar hinter mancher Blechwand läuft ein Kabelstrang. Der Verbrauch an Kabelbindern, mit welchen das Kabel an allerlei Rohren oder Kabeln oder Karosserieöffnungen festgemacht war, war riesig. Man hatte neben dem kleinen Schraubendreher für den Messaufbau immer ne handvoll Kabelbinder in der Hosentasche. Wenn dann beim Start des Messaufbaus ein Signal anfing „zu laufen“ , das heißt, der Lichtpunkt wanderte ohne Druck in irgend eine Ecke der Anzeige, war erneuter Einsatz, zwar unter Begleitung mit den unschreibbaren Ausdrücken über diese Dinger, aber mit zwei Stunden Arbeit für die Werkstatt oder für uns zwei Stunden länger zu fahren verbunden; das war dann schon mal normal, dass es erst um zehn zum Essen ging. Der Mist war nämlich, dass die seeehr anfällig gegen Feuchtigkeit waren und so verklebte Felix jeden einzelnen mit Liebe und Fingerspitzengefühl mit flüssigem Gummi, nachdem er sie mütterlich in einem missbrauchten Backofen getrocknet hatte.
Wenn der Teufel seinen fröhlichen Tag hatte, war die Garage belegt und so wurde mancher Druckaufnehmer im Schnee, mit Wagenheber und klammen Fingern draußen vor der Garage gewechselt. Das ging eigentlich wetterunabhängig. Der Backofen war natürlich der in der Küche und er war zeitweise im Dauerbetrieb, besonders bei nassem Matschwetter im März. „Da brat mir doch einer einen Druckaufnehmer.“

Bierfalter

Wie schon mal erwähnt, waren die Bierdosen aus Weißblech und mit einer Längsnaht verlötet. Ab und an überbrückten wir die freie Zeit mit Dosenfalten. Man nimmt die leere Dose in beide Hände, greift sie von rechts und links, positioniert die Naht so, dass man mit beiden Daumen gleichzeitig in der Mitte der Naht eine Beule ins Blech drückt und genausogleichzeitig mit den Fingern auf der anderen Seite rechts und links je eine Gegenfalte drückt. Dazu die synchronen Handbewegungen, zuerst etwas mehr die Naht zu falten, dann aber blitzschnell mit den Fingern die beiden Gegenfalze zu drücken und jetzt kommt der Trick: Man muss beide Hände fest zusammendrücken, damit sich die Dose schön faltet und dann aber schnell die Finger und die Daumen in Sicherheit bringen und aus den Falten ziehen. Geht mit Geschwindigkeit am besten. Die Dose ist dann noch ungefähr zwei Zentimeter hoch.

Lasst die Finger davon, das geht mit dem heutigen Gelumpe an Büchsen nicht mehr.

Wenn man jedoch noch etwas Zeit übrig hat und viele Dosen keinen Platz mehr in den Schränken finden, macht man einen Wettbewerb, wer in einer Minute die meisten Dosen falten kann.
Einer unserer Scheffscheffs wollte einen unerreichbaren Rekord aufstellen und ließ sich die Dosen punktgenau – mit der Naht zu den Daumen – zuwerfen und die gefalteten einfach fallen, um die nächste zu fangen. Es ging solange gut, bis ihm ein Schelm eine volle Dose zuwarf.
Zwei Daumen verstaucht, die letzten Fingernägel abgebrochen und überall Bier. Aber der Rekord steht, mit Stern für die Volle.

Die Schneekette

SchneekettenApril 1985 – Fahrversuch mit Ketten. Was treibt unser ABS, wenn Ketten aufgezogen sind?
Wir hatten einen alten Stern, T-Modell, lindgrün, der vollbepackt mit Notstromaggregat gekapselt anstelle des Beifahrersitzes, Rechner HP 1000 formatfüllend im Kofferraum, Messtechnik hinter dem Fahrer, daneben Platz fürn schlanken Messknecht, vorn fürn Fahrer. Und Ketten haben wir vorn aufgezogen, um das antriebsfreie Rad zu vermessen. Grundsatzmessung. Kettenaufziehen nach Anleitung. Die liegt auf der Motorhaube und vier Ingenieure stehen drumrum und beschauen sich die Kette, die nach Anleitung auf dem Boden im Schnee liegt: Es fehlt die Tante im Bikini, sonst geht das nicht. ? ? In der Werbung steht da immer n Mädel dabei und zeigt, wie’s geht. In der Tüte ist nix. Dann eben so. Nach Stunden und neuen Worten sitzt das Teil und wir fahren durchs Dorf auf den See … in der nächsten Autozeitung ein riesiges Bild von unserm Stern und der Überschrift: Der Stern arbeitet am Frontantrieb. 1985!

Die Kuckucksuhr selig

Bremsschüsse lassen sich nicht nur zum Bremswegmessen einsetzen. Sie schießen auch so.
Harry saß an seinem Schreibtisch und wollte mit dem Ohmmeter die Funktionstüchtigkeit der Patronen prüfen. Nun weiß der Ingenieur, dass man den Widerstand einer Kupferleitung mit Spannung misst. Also Batterie und Lampe – für Nichtingenieure. Nun muss Strom durch den Zünddraht der Patrone und was macht der Strom dort? Bringt den Draht zum Glühen und – richtig – zündet. Somit ist eine Anwendung für den Konstruktiven Scheiß gegeben.
Wenn man nun eine Patrone irgendwo platziert und für eine Spannungs- und Zündquelle sorgt, kann man …na ja, schaun wir mal.
Im Wohnzimmer unseres Appartements hing zwischen Toilettentüre und Küche über dem Telefon eine Kuckucksuhr an der Wand. Beide Gewichte lagen am Boden, die Uhr war abgelaufen und einer unserer Kollegen verbat sich unter Strafandrohung das Aufziehen dieses Teils. Es nervt schon gewaltig, wenn man grade mit seinen Gedanken in die Tiefe des Regelalgorithmus abgetaucht ist und der Kerl fängt an, zur vollen Stunde aus seiner Kiste an der Wand zu brüllen.
Es ist Samstag, nix zu fahren, weil wieder mal Fehler die Kiste lahmgelegt hatten und so hat ein Schelm die Uhr mit einem Sixpack an Bremsschüssen bepackt, mit einer kleinen Batterie und Kabel so mit der Kette des „Brüll“gewichts verbunden, dass es auslöst, wenn es zwölf Uhr ist.
Es geht gegen Mitternacht, die Mannschaft sitzt bei lustigen Unterhaltungen im Appartementkeller zusammen und es ertönt oben der Schrei des Kuckucks. Eins – zwei – drei – da wird die flötende Stimme des Kuckucks jäh mit einem Donnerschlag beendet, es scheppert und man hört schabende und kullernde Geräusche auf dem Linoleumboden. Oben. Ein letztes Kuck ertönt, dann ist Stille. Drei, vier Kollegen rennen nach oben und finden am Platz der Uhr einen roten Fleck an der Wand und die Reste im Büro verstreut.

Geht auch beim Kühlschrank öffnen oder wenn der Scheffscheff den Rückwärtsgang einlegt.
Eben überall da, wo elektrische Energie stationär oder ambulant zur Verfügung steht.

©Jürgen Zechmann