Streng geheim! Kapitel 22 – Tanken „Fassfrisch“

Es ist ein Sonntag Ende März, das Wetter wie aus dem Katalog, wir sind mit fünf oder sechs Fahrzeugen auf dem Rückweg. Zwischenzeitlich haben wir uns eine Strecke durchs Landesinnere erfahren und so sind wir in Kolonne unterwegs gen Süden. Mittlerweile hat auch jedes Fahrzeug ein Funkgerät, so können wir uns zeichenfrei verbal verständigen. Die Welt hört zwar mit, aber wenn schon, das war damals schon so.

Aus der Mitte kommt nach ungefähr drei oder vier Stunden Fahrt die Meldung, dass „Bunkern“ also Tanken vorteilhaft wäre, außerdem grummelt der eine oder andere Magen aufgrund der Leere. Zigaretten alleine machen nicht so satt. Tanken sind nicht wie heute alle Ecke lang, sondern wie hier im Hinterland nur in größeren Ortschaften und die gab es nur alle zwei Stunden. Ob die Tanke dann offen hatte und unsere Kreditkarten akzeptierte, kam bereichernd dazu.
Wir steuern weitab jeglicher Zivilisation eine Gebäudeansammlung an, die sich mit einiger Phantasie besehen aus einer Zapfsäule und mehreren darum verstreuten Hütten zusammensetzt. Ein paar Restbäume lassen ehemaligen Wald erahnen. Holzheizung? Kein Schild, nur eine antike Tafel lässt uns Benzin vermuten. Keiner da und irgendwie leblos. Dicke Limousinen stehen erwartungsvoll kreuz und quer im Hof, Ingenieure suchen nach Leben, andere steigen erst gar nicht aus, winken enttäuscht ab und drohen mit Weiterfahrt. Da erscheint in einer Türe ein etwas verstört wirkender älterer Herr mit zugewachsenem Gesicht und dem mittlerweile bekannten misstrauischen Blick unter dem Fell der Mütze. Wir fragen nach „Bensin ??“ „Hhmmm?.“ „For all!“ mit einer einladenden Handbewegung in Richtung der Fahrzeuge.
Sein Gesicht erhellt sich augenblicklich. „How much?“ – Wieder die Handbewegung in Richtung des durstigen Blechs. „Full?“ „Jahhaaa – no problem“.

Zunächst bittet er uns alle mit einem Armschwung in seine Küche, organisiert Stühle und seine Frau Kaffee und Gebäck. Er selbst verschwindet darauf mit Fellmütze und Anorak, schlurft in Fellstiefeln ohne Bändel über den Hof, scharrrt mit dem rechten Bein vor einer Türe den Schnee vom Boden zur Seite und verschwindet in einer der vereinigten Hütten, um Sekunden später ein Fass auf einer Sackkarre in Richtung des nächsten Fahrzeugs durch den Schnee zu zerren. Wir sehen eine gelbe Muschel aufgedruckt und eine Apparatur auf dem Fass mit einem Kabel, das in der Hütte endet. Ein Schlauch schlürt im Schnee nebenher. So beginnt das Bunkern.

Als das Fass leer war, holte er das nächste, baut die Apparatur, die eine Pumpe zu sein scheint, um, bis alle Fahrzeuge betankt sind. Zurück in der Stube legt er einen Zettel auf den Tisch mit einer Zahl. „ Cash, coffee and cake is included“ . Wir legen unsere letzten Kronen zusammen und diskutieren noch die Abrechnungsmöglichkeit und den Zoff, den wir uns zuhause einhandeln wegen des Zettels. Warum er nicht von der Zapfe getankt hat, blieb uns verborgen. Seine Vokabeln gaben das nicht her oder es hatte was mit Steuern zu tun.

Noch eine schnelle Story vom Tanken hinterher. Andere Tour, ein Fahrzeug mehr als Zapfen, einer stellt sich an die solitär stehende Zapfsäule und lässt es laufen – das ist „Diesel!!!!“ „Ja, ja – wenn ihr mich nur verseckeln könnt!“ Aber der verschämte Kontrollblick auf die Säule verrät Schlimmes. Drei Stunden Arbeit. Tank ausbauen, Diesel weg leeren, reinigen, das volle Programm mit Flüchen, für die es keine Buchstaben gibt. Klar, war wieder mal Sonntag. Engineering der besonderen Art – wir können alles, manchmal auch Hochdeutsch. Und er muss als Letzter fahren, weil die Kiste blau fahnt und nach schlecht verbranntem Diesel stinkt.

©Jürgen Zechmann