Streng geheim! Kapitel 14 – Sportlich unterwegs

bild6_bDie Kunden sind weg. Alles gut gelaufen, durchatmen. Scheffscheff lädt am Abend zur Entspannung ein. Alle sind weg, wir sind alleine und sitzen im besagten Foyer sehr gemütlich beim selbst gekauften Bier zusammen. Harold und Gunn-Marie sind längst heim. Das Bier wird zusehends weniger und einer kennt den Weg durch die Katakomben in den Hotelkeller. So mischen sich leere Flaschen zu den leeren Bierdosen auf dem runden Tisch vor der Bank. Die Pyramide wächst, der offene Kamin hat die letzte Ladung Holz verbrannt – bis auf die Holzlatschen vom Scheff (kennt jemand noch die „Klöpfer“? Genau die, mit rotem Leder). Als der Linke schon annähernd genug Wärme spendiert hatte, fällt auf, was da brennt. Das Erste ward die Art der Verbrennung und warum das so schnell und freudig brannte. Inhaltsstoffe oder Imprägnierung der Lauffläche? Die anschließende hitzige Diskussion ergibt sich, als es um die Verwärmung des Rechten geht. Argumente zählen nicht, nur Standpunkte und Prinzipien. Was will man mit EINEM Schuh? Die geistige Höhe des sich anbahnenden Wortgefechts entsprach der Höhe der Dosenpyramide. Aufheben für schlechte Zeiten und wenn es dann doch die falsche Seite war?

Apropos eingeschlafen…
Schreiben Sie eine Geschichte, in der die drei Worte vorkommen:

Schieblehre, Einspritzpumpe, Maximalgeschwindigkeit

Es begab sich zu einer Zeit, da hatten wir einen Sportler dabei, den es noch nicht zu kaufen gab. Wir hatten meistens Autos, die es noch nicht gab, deshalb war zunächst die Ersatzteilbeschaffung kein Thema, es gab keine. Neuartige Funktionen hatte er, aber alles im Fluss, also in Erprobung. Das Teil war orangefarben, hatte ein braunes Interieur und grüne Felgen. Getarnt also oder wie der Laie erkennt, von jedem Dorf n Hund.
Nachdem wir – wie man unschwer bisher erkennen kann – immer gut drauf waren, also ne Mischung aus Zuversicht und Galgenhumor, stellte doch so ein Schelm die Memory-Funktion des Sportlers ein. Gedacht ist das, wenn Oma, Papa und Töchterchen mit dem selben Fahrzeug fahren, hat jeder seinen eigenen Schlüssel. Und wenn man den dann ins Zündschloss steckt, stellt sich der Sitz, die Lehne, alle Spiegel und das Lenkrad elektromotorisch in die gespeicherte Position und man kann getrost losfahren. Wenn aber ein Zweimetermann einsteigt und der Schelm den Schlüssel für Pygmäen programmiert hat, so ist das filmreif. Die Krönung war, dass sich die Spiegel so eingestellt hatten, dass sich der verdutzte Fahrer in seinem Elend selbst sehen konnte. Ein Knie rechts und eins links unter dem Licht- und Blinkerhebel, das Lenkrad in erbarmungsloser Nähe zur Nase.

Genau dieses Gefährt machte irgendwann mal Zicken und der Motor sprang nicht richtig an, er lief nur auf fünf Töpfen und fahnte ab und an gut nach Unverbranntem. Lennard von der Tanke riet uns zu einem Benzinadditiv T-Röd. Sollte bei tiefen Temperaturen den Sprit etwas zündwilliger und das Wasser im Sprit flüssig halten. Also noch ne Kanne hinten rein. Viel hilft viel.
Die Macken dehnten sich nach einer geraumen Weile aber aus, statt zurückzugehen. Wenn man Vollgas gegeben hat, kam er mit Weile und ohne Eile auf Touren.
Nachdem unsere Firma ja auch mit diesen Einspritzsystemen ihr Geld verdient, liegt es nahe, dem Gerät ingenieus an den Kragen zu gehen.
Hierzu fragten wir David nach einem geeigneten Plätzchen, warm und staubfrei, wo man den Kameraden einige Tag stehen lassen kann. Im Hangar zwischen drei Fliegern im Winterschlaf unter den Tragflächen. Motorhaube abgebaut, alles was sonst im Weg ist, auch und den Kleinkram säuberlich auf dem mit sauberer Pappe ausgelegten Boden in der Reihenfolge der Demontage ausgelegt. Die Einzelteile werden mehr und kleiner. Überall schwarze Krümel, aber mikroskopisch klein, kleiner als die Einspritzdüsen. Aus dem Teil, das im Originalzustand fast Schuhschachtelgröße hat, wurde eine Tombola von rund sechs Quadratmetern.
Ein Schaustück für die Lehrwerkstatt über geniale Ingenieurskunst.
Aber die noch höhere Ingenieurskunst ist, dieses Puzzle wieder funktionsfähig zu gestalten.
Der Scheffscheff hat sich mit einem Kollegen – nennen wir ihn Harry – daran gemacht, an einem Mittwochmorgen!! (na? klingelt‘s Mittwoch kommt nach Dienstag) das Meisterstück zu vollbringen. Nach geraumer Zeit wird klar, dass die kleinen Kölbchen mit den Bohrungen gepaart sind, was aber bei der Demontage so nicht bekannt schien. Also wird Harry losgeschickt, im Labor (Hotel) ne Schieblehre zu beschaffen. Als er im überheizten Labor nach der Schieblehre sucht, überkommt ihn eine seltsame Schwäche. Er legt sich für – bara fem minuter – (nur fünf Minuten) aufs Bett in der Kammer neben dem Labor und wird schließlich nach laaangen füüünf Minuten vom einzigen Telefon geweckt. Eine zornige Stimme am andern Ende des Kupfers fragt nach dem Verbleib und erhält die Antwort : „Schieblehre suchen!“
Nun denn irgendwann ist der Sportler wieder gelaufen – bis kurz vor der Tanke. Täglich grüßt…

Irgendwann muss man halt auch einsehen, dass sich hinter den Kulissen mehr abspielt und so haben wir im Stammhaus des Sportlers angerufen und die Lage erklärt. Worauf als erste Antwort kam, dass man auf keinen Fall T-Röd einfüllen darf, das frisst den Schaum im Tank an und verstopft die Filter. — Wieder mal: Nun denn und der Spruch aus dem berühmten Fenster, geschmückt mit dem Wort mit S, das man nicht sagen darf.
Die Heimfahrt nach Deutschland mit diesem Zustand war ein Erlebnis der Sonderklasse. Wir haben uns zu viert auf den Weg gemacht, die 300 PS vorneweg. Mit 80 km/h bei Vollgas. Als Fahrer so aussehen, als ob man schon könnte, aber nicht wollte. Wir losen den Fahrer halbtäglich aus und machen unsere eigenen Staus – bis Heidelberg. Nur nach dem Tanken kann der mehr, so rund fünf Minuten lang, dann heißt es „Pedal, was die Straße kann“. Alle überholen und Strecke machen … dann stellt sich der mittlerweile gewohnte Zustand wieder ein. Alle bekannten Gesichter kommen links wieder vorbei. Im Nachhinein ist die Erklärung einfach: Der Tank ist aus Sicherheitsgründen mit einem großporigen Schwamm ausgestattet, der verhindert, dass der Sprit beim schnellen Kurvenfahren in die Ecken gedrückt wird und der hat sich teilweise aufgelöst und vor dem Filter wiedergefunden. Beim Tanken wurde der Filter frei gespült und hat sich dann wieder seine Peiniger um sich gesammelt.

©Jürgen Zechmann