Streng geheim! Kapitel 5 – Blitztoast

Hotel Silverhatten um 1980

Im Hotel werden wir schon erwartet. Hotelbesitzer Harold und seine Frau Gunn-Marie begrüßen uns freudig. Wir sind die einzigen Gäste. “It’s very slippery outside, have you had a good trip?” Ja, jetzt wissen wir das auch mit dem slippery – hätte uns fast einen  Hänger und ein Testfahrzeug gekostet.

Garage/Werkstatt am Hotel Silverhatten um 1980

Wir schlagen unser Domizil im Appartement des Hotelbesitzers auf, das direkt neben dem Hotel ist, zehn Schritte weiter eine Doppelgarage. Hausbesichtigung im Appartement.
Drei Stufen auf der Holztreppe hoch, Windfang, langer Gang, links eine Wand aus Schränken nicht ganz deckenhoch, rechts Türen zu drei Zimmern. Ein Kabuff mit einem Bett, daneben dasselbe nochmal und dann ein Zimmer mit Doppelbett. Gerade aus ein Bad mit  Toilette, Wanne und keinen Fenstern, drei Schritt weiter die Küche und man glaubt es kaum  – ein Tischchen mit einem Telefon drauf, wahrscheinlich das Ende  der Leitung, an der wir stundenlang entlanggefahren sind– und links dann hinter den Schränken das Wohnzimmer und eine Treppe nach unten.

Kurze Abstimmung, was wir tun und es siegt die Einsicht, wir haben Hunger. Mittags um fünf. Gunn-Marie zaubert schnell was in der Küche und wir belegen derweil unsere Zimmer. Doppelstockbett, wobei das obere Bett als Rückenlehne für das untere Bett nach unten an die Wand geklappt ist. Irgendwie erinnert mich der Duft in dem Zimmer an was, aber ich komm noch dahinter. Es lässt einen Höllenschlag, die Wand zittert, das Bild wackelt. Na eben, der Kollege nebenan hat das obere Bett hochgeklappt. Dabei muss ihm die Schwerkraft dazwischen gekommen sein, das lässt sich aus dem Kommentar erraten, der durch die Wand kommt. Aha, Doppelbett mit Brett dazwischen. Man könnte Wand sagen, aber das muss sich erst bestätigen. Stabil muss es schon sein, sonst hätte sie das runterschwingende Bett nicht so locker weggesteckt. Verständigung gut.

Wir treffen uns zum Essen. „In den Zimmern riecht es wie … „ da war es, ja Volltreffer, … „auf dem Schiff“. Das Rappeln fehlt, aber das Pfeifen der Belüftungsanlage lässt sich durch Zudrehen der Lüftungslöcher in der Decke abstellen. Das Bad ist gigantisch. Man kann auf der Toilette sitzend duschen und Hände waschen – gleichzeitig. Man kann sich wenigstens nicht verlaufen und findet morgens die Zahnbürste recht schnell. Außerdem kann man bei Seegang nicht umfallen. Steckdose is nich, dann wird halt nicht rasiert oder geföhnt.

Büro / Labor

Nach dem Essen Büro einrichten, Labor einrichten, alles auspacken und aufbauen. Na ja, wohin? Zunächst alle Möbel des Besitzers aus dem Wohnzimmer in den Keller. Das ist eine Art Aufenthaltsraum, mit einem Stück Parkettboden und einer kleinen Bar. Fensterfrei. Jetzt wird es durch die Sitzmöbel erst richtig gemütlich und eng. Eine Musikanlage steht auch in der Ecke – alles da.  Felix verdrückt sich in die Garagen und macht daraus eine Werkstatt. Oben fehlen Tische für unsere Aufbauten und Arbeitsplätze, ebenso wie Stühle, unten ist ein Möbellager. Aber Harold hilft schnell weiter. Aus dem „Folketshuset“ im Dorf organisiert er sechs oder acht Tische und eine Handvoll Stühle aus dem Restaurant. Der Aufbau geht zügig voran und die Luft ist furchtbar trocken. Wir beschließen, alle Mann ins Dorf, Einkaufen. Bier gibt es nur in Dosen und zwar Dünnes. Dickes Bier gibt es nur im Systembolaget. Ne Art Spritbutik, die nur an Erwachsene Stoff abgibt. Arjeplog ist noch nicht erwachsen … Also dann eben Dünnbier. Ist auch besser, bei der Trockenheit. Der gefüllte Kühlschrank sieht innen aus wie eine Mauer aus riesigen Patronen, doppelwandig, also zweistellig.
Die Temperatur im Zimmer nimmt deutlich zu, draußen minus 10 drinnen plus 25 Tendenz steigend – jede in seine Richtung. Die elektrischen Geräte heizen „wie Harry“ – ach ja, alles ist „Harry“ alle heißen „Harry“, Harry auch.
Es ist noch dunkler, zu spät, die Eispiste auf dem Hornavan heut anzuschauen, aber man kann ja mal durchs Dorf schlendern. Lennard der Tankwart begrüßt uns, die anderen waren ja letztes Jahr schon mal da. Austausch der Lebensgeschichten in drei Minuten, es ist -Peilton-kalt. Wir kommen morgen wieder, machen das mit dem Tanken für dieses Jahr klar. Ein paar Jugendliche cruisen mit ihren alten Volvos durch das Dorf und zeigen uns, wie driften geht.
Zurück ins Hotel, morgen um sieben Frühstück? Neee, um acht, das reicht, dann hängen wir abends was dran. Wir trinken das erste Bier warm, es schmeckt noch schlimmer, aber man kann sich dran gewöhnen. Man muss ja nicht denken, dass man Bier trinkt, sondern eben Hopfentee.

Die erste Nacht in Ruhe. Kein Autobahngeräusch, kein Geklapper, nebenan schnarcht es schon. Man gewöhnt sich auch da dran.

Wieder mal eine Nacht für Erklärungen:
Das Hotel hat einen dreigliedrigen Grundriss, in dessen Zentrum die Rezeption gleich rechts neben dem Eingang liegt. Rechts und links die Flügel mit den Zimmern, geradeaus das Restaurant. Links davor, der Raum fürs Mittagessen. Ja, wir haben Vollpension, Essen im Dorf is nicht. Keiner weiß, wovon die Schweden leben.
Vier Schritte neben der Rezeption eine kleine Sitzgruppe mit Fenster zum Heiligen Berg – dem Galtispuoda. Muss man gewesen sein, das aber später. Beim Fenster ein aufrecht stehender Braunbär, einen Baumstamm im Arm – natürlich ausgestopft, wie denn sonst, daneben ein Wolf mit braunen Glasaugen.
Das „Abendspeisezimmer“ hat eine orangene Beleuchtung und hier ist Dienstags und Samstags Tanz bei Livemusik. Zwei Seiten mit Fenstern, links ist die Küche. Die Aussicht ist bombastisch. Bei Tag und bei Nacht. Das Dorf liegt uns zu Füssen und es wäre so romantisch, wenn nicht die Arbeit wäre.

Harold und Gun-Marie Tallfällt Silverhatten um 1980

Acht Uhr Frühstück. Zwischen Marmelade, Schinken, Salami, Honig und Käse tauchen Hering in Senfsoße und Zwiebeln auf. Dazu Weißbrot oder Knäcke. Kaffee bis zum Abwinken. Alles als Buffet schön aufgebaut und daneben ein Toaster. Wir basteln uns einen Toast Hawaiiii zum Frühstück – als Einstand und weil alle Zutaten da sind -DIE Chance! Der Toaster muckt zwar, aber es geht. Wenn man ihn hinlegt und dann den Toast vorsichtig reinschiebt … Der Käse verbrüdert sich sofort mit dem oberen Gestänge und der Auswurf wird aufs gefährlichste behindert, es beginnt zu dampfen und die Luft transportiert Kohlegeschmack in blauen Wölkchen. Der Kollege will die Situation mit der Gabel retten und bekommt beim rumfummeln im Toaster eine furchtbare gefeuert, es wird dunkel im Saal – nicht ohne Blitz zuvor! – die richtige Reihenfolge muss sein. Nicht ingenieursicher! Am nächsten Morgen steht ein Toaster, der hawaiitoasten kann mitten zwischen den Leckereien. Darwin für Schweden. Ingenieurssicher.

Wir bauen unser Labor weiter auf, packen die Kisten aus, suchen und finden, es ist wie Weihnachten, nur technisch nüchtern eben. Felix ist in der Garage dabei, Regale freizumachen und umzubauen. Er kommt jede halbe Stunde schimpfend zu uns rein, sich aufzuwärmen. Draußen ist es genauso kalt wie drinnen. Die Garage muss doch warm zu bekommen sein. Der Heizkörper ist zwar an, aber kalt. Entlüften?? Ja, das war’s, Kraftfahrzeugschrauber, Regalbauer, Hausmeister und Heizungsbauer – Engineering.